Die Rettung von Storchenbabys ist echte Handarbeit.

Nach Attacke durch Raubvogel

Kurioser Irrtum in Sulz: Verletzter Storch war gar kein Storch

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Tim Richter
Tim Richter ist Reporter für Hörfunk, Online und Fernsehen beim SWR im Studio Tübingen.

"Storchenpapa" Hartmut Polet in Sulz-Mühlheim päppelt ein Storchenbaby auf - denkt er. Es wurde mit einer Verletzung zu ihm gebracht. Doch: Überraschung! Später merkt er: Das ist gar kein Storch!

Im kleinen Mühlheim am Bach, einem Teilort der Stadt Sulz (Kreis Rottweil), kennt man Hartmut Polet. Er kümmert sich als Weißstorchenbetreuer des Naturschutzbundes (NABU) Oberndorf-Sulz seit Jahren um die Störche dort. Er kennt sich aus mit den Tieren. Direkt neben seinem Esstisch, vor dem Kamin, hat er dem vermeintlichen Storchenbaby ein kuscheliges Nest eingerichtet. Nach einer Raubvogelattacke wollte er das Kleine wieder gesund pflegen. Doch jetzt hat der kleine Vogel ihn hinters Licht geführt.

Tierschützer alarmieren Weißstorchenbetreuer

Was war passiert? Am Montagabend gegen 18 Uhr klingelt bei dem Weißstorchenbetreuer das Telefon. Eine Mitarbeiterin des Tierschutzvereins Schramberg (Kreis Rottweil) ist am anderen Ende - ein Notfall.

Ein Rabe hat ein Storchennest in Schramberg ausgeraubt, erzählte die Tierschützerin Polet. Dabei habe er das einzige, frisch geschlüpfte Storchenbaby mit seinen Klauen gegriffen. Die Storcheneltern hätten die Verfolgung aufgenommen, bevor der Rabe das Kleine aus etwa 30 Metern Höhe fallen ließ. Ein Tierarzt habe das Storchenbaby schon versorgt und die offene Brust zugenäht, so die Mitarbeiterin. Wie durch ein Wunder hat der kleine Vogel überlebt. Hartmut Polet eilt sofort zur Hilfe, um den Vogel bei sich aufzunehmen.

Hartmut Polet pflegt ein kleines Täubchen bei sich im Haus in Sulz gesund, denkt aber es sei ein Storch.
Hartmut Polet hat ein kleines Storchenbaby bei sich zu Hause zur Pflege aufgenommen - zumindest hielt er den Vogel für einen Storch.

Storchenbetreuer aus Sulz: Gefieder ist braun-schwarz und fluffig

Gerade einmal 190 Gramm hat der kleine Fratz auf die Waage gebracht. Als Polet ihn entgegennahm, passte er in seine Handfläche - der Schnabel nur wenige Zentimeter groß, das Gefieder noch braun-schwarz und fluffig. Erst mit der Zeit würden sich die Federn zum markanten Schwarz-Weiß des Storchen entwickeln, so der Storchenbetreuer. Das sei ein Wunder der Natur. Dass der Vogel in seinem Nest in Wirklichkeit eine Taube war, wusste er zu dem Zeitpunkt des Interviews noch nicht.

Taube hat für einen Tag wie ein Storch gespeist

Also hat sich Polet mit Liebe um das Storchenbaby gekümmert. Mehrfach sei er nachts aufgestanden und habe den Kamin neben dem Nest angeheizt - geschlafen habe er kaum. Besonders für kleine Störche sei Wärme nämlich extrem wichtig, so Polet. Und auch auf die richtige Ernährung hat er geachtet. Alle drei Stunden hat er den Babyvogel mit Hackfleisch gefüttert. So hat es Polet der örtliche Tierschutzverein empfohlen.

Dass der Storchenbetreuer überhaupt einmal so nah, an ein so kleines Storchenbaby herankommt, hätte er sich nie ausmalen können, sagte er dem SWR. Seit Jahren kümmert er sich um die Störche und deren Nachwuchs bei sich in Mühlheim. Dort ist er auch als "Storchenpapa" bekannt. Solch ein junges Tier hat aber selbst er noch nicht gepflegt. "Das war ein Glücksfall, anders kann man es nicht bezeichnen", erzählte Polet dem SWR. "Normalerweise kann man sowas nicht erleben."

Normalerweise kann man sowas nicht erleben.

Die kleine Taube wurde in Sulz für einen Storch gehalten und mit Hackfleisch aus einer Spritze gefüttert.
Die kleine Taube wurde für einen Storch gehalten und mit Hackfleisch aus einer Spritze gefüttert.

Vogelwarte klärt Irrtum auf

Erst am Dienstag, knapp 24 Stunden nachdem Polet den Vogel bei sich aufgenommen hat, kommt die Verwechslung der Vögel ans Tageslicht. Routinebedingt hat der Storchenbetreuer ein Bild seines kleinen Pflegepatienten an eine Vogelwarte weitergeleitet. Dort kam der Verdacht auf: Sieht der Vogel nicht mehr nach Taube aus als nach Storch?

Hartmut Polet betrachtet das "Storchenbaby" ein seinem Pflegenest in Sulz direkt neben dem Kamin im Esszimmer.
Erst nach 24 Stunden ist klar: In Hartmut Polets Nest sitzt kein Storch, sondern eine Taube.

Höcker macht Storch zur Taube

Polet holte sich eine zweite Meinung ein. Und tatsächlich - ein örtlicher Kleintierzuchtverein bestätigt: Der Storch ist eine Taube. Ausschlaggebend ist der kleine Höcker auf dem Schnabel. Der machte den Storch zur Taube. Storchenbetreuer Hartmut Polet nimmt es mit Humor. "Man lernt eben nie aus", erzählt er dem SWR im Nachhinein.

Die Ernährung habe er jetzt von Hackfleisch auf Körnchen umgestellt, so Polet. Und mittlerweile gibt das Küken auch die ersten unverkennbaren Taubenlaute von sich. Bald darf die Taube dann vom Storchenhotel ins Tierheim Schramberg umziehen.

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